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Donnerstag, 6. November 2008

Neopunk rettet Deutschrap? - Auftakt der Serie [Teil 1/3]

Deutscher Rap beendet seine Karriere titelt HipHop.de, MixeryRawDeluxe.tv fühlt sich berufen über das Status Quo der deutschen Szene zu diskutieren. Die gesamte Internetbasis (die im übrigen kein repräsentatives Spiegelbild des deutschen HipHops darstellt) schwankt zwischen zynischem Galgenhumor, zaghafter Hoffnung auf eine Selbstreinigung und einfaches Totschweigen. Tatsächlich sprechen die zurzeitigen Fakten nicht unbedingt für einen erfolgreichen Fortbestand des HipHop-Geschäfts - vor allem in kommerzieller Sicht. Dabei steht natürlich außer Frage, dass die Musik an sich bestehen bleibt und wir auch weiterhin in den Genuss von qualitativ hochwertigem deutschen Rap kommen werden. Da sind sich ausnahmslos alle einig. Auuch wenn es an konkreten Zukunftsaussichten noch fehlt, wagen sich immmer mehr Künstler in neue Gefilde, vor allem was das Vermarkten ihres Produktes anbelangt.
Es brodelt also, viele Künstler wehren sich gegen die negativen Entwicklungen und drängen sich mit kreativen (musikalischen) Konzepten auf.  In dieser Serie werden drei Werke eben solcher Künstler, auch mit Blick auf die Marketingideen, unter die Lupe genommen. Der erste Teil wird sich mit der Untergrundlegende Prinz Pi und seinem erstmals majorunterstützten Album Neopunk beschäftigen. Im zweiten Teil folgt Newcomer Marsimoto mit Zu zweit Allein, der dritte und letzte Teil wird mit dem Routinier Kool Savas und seiner John Bello Story abschließen. Also drei unterschiedliche Künstler, mit einem unterschiedlichen Status in der Szene.

Bei Prinz Pi muss ich zuerst immer an eine Episode denken, als ich ihn nach einem Konzert im ziemlich betrunkenen Zustand am Merchandise-Stand getroffen habe. Der Prinz reagierte etwas verärgert über meine Meinung, dass mir die alten Werke deutlich besser gefallen als sein damalig aktuelles Album Donnerwetter. Ich hätte mich mit der künstlerischen Entwicklung abzufinden und solle mir nicht immer die alten Zeiten zurückwünschen. Die Meinung ist durchaus nachvollziehbar, für einen Künstler ist es sicherlich nicht einfach, wenn ein Hörer seiner persönlichen Entwicklung nicht folgen kann oder will. Trotzdem begeistern mich die alten Sachen immer noch, da sie einfach, rough und spontan klingen. Dass er diesen Flavor nie wieder erreichen wird, ist logisch nachvollziehbar, aber vor allem unter Berücksichtigung der damaligen Textinhalte teilweise wünschenswert. Das Album Donnerwetter klang für mich auf langen Strecken gerade thematisch sehr gezwungen, als wolle man möglichst viele Themen abdecken. Die musikalische Untermalung war damals schon hochqualitativ von Biztram in Szene gesetzt, und unter der Masse an Songs konnte ich auch einige Highlights für mich entdecken. Das Gesamtwerk wirkte auf mich aber zu glatt, überproduziert, als wolle man zu hohen Ansprüchen gerecht werden.



Gerade deshalb war meine Interesse seit Bekanntgabe der ersten Details zum neuesten Werk erneut geweckt. Alleine der Name Neopunk und die Pressetexte/Blogeinträge ließen hoffen, dass man sich von Konventionen gelöst hat und neue, experimentelle Pfade beschritten hat. Einen ersten Eindruck konnte ich auf dem Splash-Auftritt am Donnerstagabend auf dem Red-Bull Bus gewinnen. Pi spielte die erste Single Gib dem Affen Zucker, die sich live als energetisch mitreißend herausstellte und mit dem elektronisch-beeinflussten, relativ simplen Beat eine erste Richtung für das Album vorgab. Dementsprechend enttäuscht war ich von dem Video-Release, auf der einfach nicht die Energie vermittelt wird, die beim Liveauftritt erzeugt wurde. Der Beat ist zwar nach wie vor gut eingängig, Pi's Rapstil erweist sich dann aber als doch zu monoton. Diese Kritik kam von mehreren Seiten und wurde sich wohl zu Herzen genommen, kurz darauf folgte nämlich noch eine Live-Version der Videosingle, die das tatsächliche Potential des Songs zu Tage bringt.

Zuvor gab es quasi als Vorabsingle das extravagante Video zu Schädelfi**en, welches sich
auch teilweise harte Kritik gefallen lassen musste. Sehr positiv ist hierbei, dass man sich den Song immernoch kostenlos auf der Artistpage in voller Länge auf no-peanuts.com herunterladen kann. Auch das Pre-Listening auf Myspace, auf dass ich im gestrigen Beitrag schon eingegangen bin, halte ich für eine zukunftsfähige Marketingmaßnahme.

Das Album wird vom druckvollen Super Seiajin eröffnet, Pi's Flow ist sofort fesselnd. Ein typisches Intro, Repräsentieren und auf das Album vorbereiten. Das gelingt, der Beat ist bezeichnend für den elektronisch-experimentellen Sound der sich durch das gesamte Album zieht:

Pi ist wie der Hot-Button, irgendwann schlägt er zu.

Insgesamt ist der Soundteppich von Biztram hervorragend, neu aber trotzdem eingängig. Viele, die Angst vor einem musikalisch zu großem Experiment hatten, können beruhigt sein, die Beats bleiben immer HipHop, jedoch mit verschiedenen Einflüssen. Während 8-Bit Untergrund mit knallharten Drums eine gewisse Oldschool-Note hat, bietet Nerdhymne abgespacete Computersounds. Textlich bewegt sich das Album von typischen HipHop-Tracks wie 8-Bit Untergund, über einfallsreiche Thementracks wie 2030 oder Schläferstündchen zu vollkommen abgedrehten Ausflügen wie Mein Blut oder das hervorragende Schlag die Faust mit Casper. Prinz Pi schafft es diese Vielfalt homogen zu verbinden, so dass sich bei mir nicht diese gezwungene Albumstimmung einstellt wie beim Erstlingswerk Donnerwetter. Hervorzuheben sind Nerdhymne, dass jedem, in dem ein kleiner Nerd steckt, das Herz höher schlagen lässt. Das schlägt auch nochmal bei dem genialen Mario Kart-Cut in Affen an die Macht. In 2030 geht Prinz Pi das Thema Zukunftsvisionen auf eine ganz neue Art und Weise an und kann dem so schon etwas abgedroschenen Thema einen völlig neuen Aspekt abgewinnen. Kritisch äußert er sich in Schläferstündchen und dem plakativen Wir bleiben Anti. Hier besteht, wie oft bei Prinz Pi die Gefahr der Aneinanderreihung von populistisch anmutenden Aussagen:

Ich hab noch einen Koffer in Berlin, der steht am Hauptbahnhof am Gleis 2. Darin ist kein Sprengstoff, kein Nitroglyzerin,sondern ein Zettel  Freiheit ByeBye

Jedoch sind solche Textpassagen viel seltener zu finden, als auf früheren thematisch ähnlichen Tracks. Insgesamt wirkt Pi auf mich befreiter und auch nicht mehr ganz so elitär wir auf den letzten Releases. Das Selbstvertrauen hat er trotzdem nicht verloren:

Um euch zu ärgern wurd ich einst auf diese Erde gesetzt, euer Glaube an Jesus hat mich in der Ehre verletzt

-heiligeremilius
 
 

 

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